WM 2018: Warum für Afrikas Mannschaften nach der Vorrunde Schluss war

In der F.A.Z. berichtete ich während der WM über den afrikanischen Fußball. Teil 3: Die WM-Teilnehmer aus Afrika hatten große Hoffnungen, alle fünf fuhren jedoch enttäuscht nach Hause. Eine allgemein gültige Analyse zu versuchen, wäre anmaßend. Doch es gibt Themen, die sich von Kairo bis Lagos gleichen.

Hier geht es um den dritten Afrika-WM-Artikel in der F.A.Z. Den Artikel zu Mohamed Salah gibt es hier, den zu Senegal hier.

 

Nach der Vorrunde war Schluss – für die afrikanischen WM-Teilnehmer und für meine bescheidene Berichterstattung über sie. Alle afrikanischen Teams in der Gruppenphase ausgeschieden! Was für eine Schlagzeile, und natürlich ist es zwingend, das Aus zu ananlysieren. Doch man muss aufpassen: Afrika lässt sich genauso wenig pauschalisieren wie andere Kontinente. So wie die USA und die Karibikländer bzw. die arabischen Golfstaaten und Fernost einen Ägypten und Nigeria zwar derselbe Kontinentalverband, aber ansonsten eben nicht viel: weder politisch noch wirtschaftlich, und natürlich auch nicht fußballerisch. 

 

Das Besondere in Afrika: Die Trennlinie verläuft ziemlich gerade, nämlich entlang der Sahara, und teilt den Kontinent in den arabischen Norden und den "wahren" Schwarzen Kontinent. Es wäre eine Farce, beides in einen Topf zu werfen und daraus allgemein gültige Schlüsse zu ziehen. Dafür sind die fußballerischen Rahmenbedingungen zu unterschiedlich – und damit die jeweiligen Herausforderungen und Probleme. 

 

Und so hangelte ich mich an einzelnen Themen und Problemen entlang, die Nord-, Schwarz- bzw. ganz Afrika beschäftigen. Nachzulesen hier: "Das Warten auf den Weltmeistertitel geht weiter", erschienen in der F.A.Z. vom 30. Juni. 

 

Die drei wichtigsten Themen auf einem Blick:

 

1. Schlechte Ausbildung heimischer Talente

 

Ein Problem, das vor allem Schwarzafrika betrifft. Auch im Text über Senegal – das Positivbeispiel – spreche ich die mangelhafte Ausbildung in afrikanischen Ländern an. Um zu veranschaulichen, wie viel Talent dort brach liegt, erzähle ich am liebsten die Geschichte des Franzosen Jean-Marc Guillou, der eine der erfolgreichsten Fußballschulen in Afrika leitet: die JMG Akademie Bamako in Mali.

 

Guillou war in den 1990er-Jahren einer der ersten Ausländer, der in Schwarzafrika ein Fußballprojekt ins Leben rief. Aus seiner Akademie stammte die Mehrzahl der „Goldenen Generation“ der Ivorer um Didier Drogba sowie Kolo und Yaya Touré. 2006 zerstritt sich Guillou mit dem ivorischen Fußballverband und zog mit seiner Akademie nach Bamako um.

 

Malis Fußball war bis dato wenig erfolgreich – auch und besonders im Nachwuchs. Mittlerweile zählen Malis Juniorennationalteams jedoch zu den stärksten der Welt. 2015 und 2017 gewannen sie den U17-Afrika Cup, 2015 waren sie zudem U17-Vizeweltmeister, 2017 Vierter bei der U17-WM. Fast alle Topspieler sind bei JMG ausgebildet worden.

 


Dass Guillou 2006 Mali wählte, war wohl mehr oder weniger willkürlich. Und ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Guillou in jedem anderen – fußballerisch unterentwickelten – afrikanischen Land ähnlichen Erfolg gehabt hätte.

 

 2. Zu wenig Einheimische

 

Das zweite Problem, dass zu viele im Ausland geborene Spieler eingesetzt werden, betrifft Nord- wie Schwarzafrika. Es baut natürlich zum einen auf dem ersten Problem auf, zum anderen hängt es damit zusammen, dass die Verbände häufig auf ausländische Trainer setzen, die ihrerseits entweder aus Bequemlichkeit oder Misstrauen zu wenig auf den einheimischen Fußball schauen.

 

Nun kann natürlich ein Spieler, der z.B. in Frankreich geboren ist und französische Juniorennationalmannschaften durchlief, eine afrikanische Mannschaft weiterbringen (siehe Senegals Star-Innenverteidiger Kalidou Koulibaly). Doch birgt die Verlockung, solche Spieler für die eigenen Nationalmannschaften zu gewinnen, auch Risiken: Wie motiviert ist ein Spieler, der das Land, für das er spielt, vielleicht nur aus dem Urlaub kennt? Was ist, wenn der Spieler nur auf die WM Lust hat, sich für Qualifikationen oder Afrika-Cups zu schade ist (siehe Kevin-Prince Boateng)? Und wie wirkt es sich auf die Motivation einer Mannschaft aus, wenn Spielern aus der heimischen Liga die Plätze von eher zweitklassigen "Europäern" weggenommen werden? 

 

Eine kleine Anekdote dazu: Voriges Jahr traf ich Marc Wilmots im Stadion von Hertha BSC. Er freute sich, dass ich wusste, dass er gerade Nationaltrainer der Elfenbeinküste geworden war (das ging an der deutschen Öffentlichkeit genauso vorbei wie sein Rauswurf ein halbes Jahr später). Jedenfalls erzählte er mir, was er im Hinblick auf die WM-Qualifikation so alles vor hatte: Erstens, die Altstars Yaya Touré und Salomon Kalou (deshalb war er in Berlin) überzeugen, dabei zu bleiben.

 

Zweitens, war er gerade von einer Frankreich-Tour zurückgekehrt, bei der er einige hoffnungsvolle Talente mit ivorischen Wurzeln entdeckt hatte. Die wolle er auch für sein Team gewinnen, sagte er. Von der ivorischen Liga hatte er noch nichts gesehen. Ob er von ASEC Mimosas, einem der besten Klubs Afrikas, überhaupt gehört hatte, wage ich zu bezweifeln.

 


Ironie der Geschichte: In der Qualifikation scheiterte Wilmots ausgerechnet an Marokko. Deren Trainer, der Franzose Hervé Renard, lief in Russland mit einem Kader auf, in dem nur sieben Spieler standen, die in Marokko geboren wurden.

 

3. Zu wenige Legionäre

 

Dieses wiederum ist ein nordafrikanisches Thema, das aber auch andere arabische Staaten oder Länder wie Russland, die Türkei oder Israel umtreibt. Das Problem: Zu wenige Nationalspieler sind in den besten Ligen Europas aktiv. Die Ursache: Den Spielern geht es zuhause zu gut.

 

Im Falle Nordafrikas zieht es die meisten jungen Spieler zunächst einmal zu den Spitzenklubs ihrer Heimatländer. Dort unterschreiben sie gut dotierte langfristige Verträge und hängen im wegweisenden Alter von Anfang zwanzig fest. Denn diese Vereine wie Al Ahly aus Kairo, Esperance aus Tunis oder Wydad aus Casablanca verkaufen ihre besten Spieler nur ungern – und wenn, dann zu hohen Preisen. Der Weg vieler Talente führt daher später nicht nach Europa, sondern in die zahlungskräftigen Ligen der arabischen Golfstaaten.

 

Das Paradebeispiel, wie eine Karriere verlaufen sollte, ist Mohamed Salah: Von einem kleineren Verein in Ägypten über ein Sprungbrett wie den FC Basel zum Weltklasse-Klub. Bleibt zu hoffen, dass er Nachahmer findet.

 

Hier geht es um den dritten Afrika-WM-Artikel in der F.A.Z. Den Artikel zu Mohamed Salah gibt es hier, den zu Senegal hier.

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